Wohnraumkündigung wegen Eigenbedarfs – alles klar oder Lotto?

20.02.2020 – RA Bierschenk:

Müller möchte angesichts der niedrigen Zinsen für Hauskredite ebenfalls Hauseigentümer werden. Er kauft ein Vierfamilienhaus, wandelt 2 Wohnungen im 1. OG in Ferienwohnungen um und will die verbleibenden 2 Wohnungen im Erdgeschoss zu einer großen Wohnung zusammenlegen, in der seine vierköpfige Familie und seine alte Mutter wohnen sollen. Der dort bisher wohnenden Familie mit fünf Kindern kündigt er wegen Eigenbedarfs. Des Weiteren kündigt er in der Erwartung neuen, eigenen Wohnraumes seine bisherige Mietwohnung. Gegen die Eigenbedarfskündigung erheben die Mieter der Wohnung im Erdgeschoss Kündigungsschutzklage und berufen sich des weiteren auf einen Härtefall, da sie mit ihren 5 Kindern keine andere Wohnung finden würden.

Das Amtsgericht gab der Klage mit der Begründung statt, die Eigenbedarfskündigung sei rechtsmissbräuchlich, weil Müller den Eigenbedarf durch den Ankauf des Hauses und die Kündigung seiner eigenen Wohnung selbst herbeigeführt habe. Zudem könne er in die beiden zur Zeit noch freien Ferienwohnungen ziehen. Müller ist empört und geht in die Berufung zum Landgericht. Das Landgericht hielt zwar seine Eigenbedarfskündigung für rechtmäßig, ordnete jedoch auf den Einwand eines Härtefalles der Beklagten an, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werden müsse. Hiergegen ging Müller in die Revision zum Bundesgerichtshof. Dieser hob das Urteil des Landgerichts auf.

Der BGH stellte zunächst einmal klar, dass die Auffassung vieler Gerichte, eine Kündigung sei ausgeschlossen, wenn der Vermieter den Eigenbedarf selbst herbeigeführt habe, weil er seine bisherige Mietwohnung gekündigt habe, falsch ist und die durch Art. 14 des Grundgesetzes garantierte Befugnis des Eigentümers missachtet, sein Leben unter Nutzung seines Eigentums nach seinen Vorstellungen einzurichten. Des Weiteren hob der BGH die Begründung des Landgerichts – und auch vieler weiterer Gerichte – auf, der Eigenbedarf sei deshalb nicht gegeben, weil der Vermieter noch mehrere andere Wohnungen habe, in die er einziehen könne. Der BGH führt aus, auch bei Vorhandensein von weiteren nutzbaren Räumlichkeiten sei der Nutzungswunsch des Eigentümers grundsätzlich zu achten. Die Gerichte seien nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen an die Stelle der Lebensplanung des Eigentümers zu setzen. Trotz vorhandener alternativer Wohnungen sei es daher nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe für das Festhalten an der Eigenbedarfskündigung anführen könne. Aufgeräumt hat der BGH auch mit dem Irrtum des Landgerichts, Gerichte müssten zwingend eine unbefristete Fortsetzung des Mietverhältnisses anordnen, wenn der Wegfall des Härtegrundes ungewiss sei. Insoweit hat der BGH ausgeführt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Fortsetzung des Mietverhältnisses im Regelfall nur auf bestimmte Zeit erfolgen solle.

So weit – so klar. Doch jetzt kommt’s: Laut BGH gelten grundsätzlich für den Vermieter einerseits und den Mieter andererseits gleichgewichtige verfassungsrechtliche Maßstäbe. Im Rahmen der Härtefallprüfung müssten die Gerichte daher eine umfassende Abwägung der Interessen des Vermieters am Wohnen in der eigenen Wohnung einerseits und dem Interesse des Mieters am Verbleib in der Mietwohnung andererseits durchführen. Da das Landgericht diese Abwägung nicht richtig vorgenommen hatte, hob der BGH das Urteil auf und verwies es an das Landgericht zur erneuten Entscheidung zurück.

Der Prozess dauerte bis jetzt bereits vier Jahre. Bis das Landgericht neu entscheidet, wird ca. ein Jahr vergehen. Dagegen kann dann jede Partei wieder Revision zum BGH einlegen. Ein endgültiges Verfahrensende ist somit erst in ca. 3-4 Jahren zu erwarten. Bis dahin muss Müller mit seiner Familie wohl oder übel in den Ferienwohnungen wohnen, hat daraus nicht die erwarteten Mieteinkünfte, muss aber gleichzeitig den Hauskredit abbezahlen. Fazit: Eigenbedarf ist keine Garantie für den Erfolg einer Räumungsklage.

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